Bei dem Begriff Epilepsie kommt den meisten Menschen sofort das Bild eines Krampfanfalls in den Kopf. Doch was genau ist eine Epilepsie wirklich?
Epilepsie ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe von Funktionsstörungen des Gehirns, bei denen es zu einer gestörten Erregungsbildung und fehlender Erregungsbegrenzung in den Nervenzellverbänden kommt. Bei der Erkrankung kommt es immer wieder zu dem Auftreten von epileptischen Anfällen.
Epilepsie auf einen Blick
Unter einem epileptischen Anfall versteht man eine vorübergehende Fehlfunktion von Nervenzellen, bei der das Gehirn oder einzelne Hirnbereiche übermäßig aktiv sind und zu viele Signale abgeben. Dabei kann es zu Zuckungen einzelner Muskeln oder des ganzen Körpers kommen. Meistens dauern diese unter 2 Minuten an und die Orientierung ist nach dem Ereignis zunächst eingeschränkt. Sie enden in der Regel von selbst.
Es existieren unterschiedliche Formen von epileptischen Anfällen. Ein Anfall, der einmalig oder ohne weitere Veränderung im Gehirn auftritt ist jedoch nicht mit der Diagnose Epilepsie gleich zu setzen. Es müssen mindestens zwei epileptische Anfälle aufgetreten sein, um die Diagnose Epilepsie zu stellen.
Offensichtliches und Ungewöhnliches: Ursachen und Auslöser einer Epilepsie
Bei den Ursachen wird zwischen Faktoren, die einen einzelnen epileptischen Anfall begünstigen sowie Faktoren, die grundsätzlich die Erkrankung Epilepsie fördern können, unterschieden.
Zu den Faktoren, die einen epileptischen Anfall triggern können, gehören unter anderem:
- Einnahme von Substanzen wie beispielsweise Drogen oder Medikamente, die die Anfallsschwelle senken (u.a. Antidepressiva, Antipsychotika, gewisse Antibiotika)
- Entzug von Alkohol oder Drogen
- Andere Erkrankungssymptome: Fieber, Entgleisungen des Elektrolyt- oder Zuckerhaushaltes, Schwangerschaftseklampsie
- Gewisse Situationen wie beispielsweise exzessive körperliche Verausgabung, Stroboskop-Licht oder Schlafentzug. Hier gilt jedoch zu beachten, dass diese Situationen meist nur bei Personen einen epileptischen Anfall auslösen, die im Verlauf weitere Anfälle erleiden und damit an einer Epilepsie leiden
Ein erhöhtes Risiko für eine Epilepsieerkrankung kann unter anderem folgende Ursachen haben:
- Genetisch: hierzu gehören sowohl Syndrome als auch Fehlbildungen diverser Gehirnstrukturen
- Infektionen: zum Beispiel bei einer viralen Enzephalitis
- Strukturell: bei Tumoren, Metastasen oder Abszessen im Gehirn sowie Narben oder Gefäßabnormalitäten
- Autoimmun: bei der sogenannten paraneoplastischen Enzephalitis
Komplexes einfach gemacht: Anfallsformen und Epilepsietypen
Epilepsie ist nicht gleich Epilepsie. Es gibt verschiedene Arten der Epilepsie, die durch verschiedene Kategorien epileptischer Anfälle klassifiziert werden. Zu diesen gehören
- Fokale Anfälle
- Fokale Anfälle bei einer Epilepsie sind auf eine bestimmte Gehirnregion beschränkt. Sie können sowohl mit oder ohne motorische Störungen und mit oder ohne Bewusstseinsstörung einhergehen
- Die klinische Ausprägung ist vom Ort der Störung abhängig, es kann zum Beispiel zu Sehstörungen, Sprachstörungen, Déjà-vu-Erlebnissen sowie Halluzinationen kommen
- Generalisierte Anfälle
- Generalisierte Anfälle betreffen beide Gehirnhemisphären. Auch sie können mit oder ohne motorische Störung im Zuge einer Epilepsie auftreten. Wobei letztere unter anderem als Abscencen bezeichnet werden. Zu den generalisierten Anfällen mit motorischen Störungen gehören unter anderem tonische, klonische und tonisch-klonische Anfälle
- Bei generalisierten Anfällen kommt es immer zu Bewusstseinsstörungen, die von verschiedenen Phasen begleitet sein können. Zu diesen gehören vor allem: Absencen (kurze Bewusstseinspausen), klonische Phasen (rhythmische Muskelzuckungen), Myoklonien (ruckartige, unsystematische Muskelzuckungen) oder auch tonische Phasen (Anspannen der Muskulatur)
- Nicht klassifizierbare Anfälle
- bei nicht klassifizierbaren epileptischen Anfällen ist eine Zuordnung nicht möglich
Anhand dieser Anfallsformen werden Epilepsien in fokale, generalisierte, kombiniert generalisiert und fokale Epilepsien sowie Epilepsien unbekannten Typs unterschieden.
Neben diesen Epilepsietypen gibt es auch Epilepsiesyndrome. Bei diesen werden die verschiedenen Epilepsieformen von typischen weiteren Symptomen und Untersuchungsbefunden, wie beispielsweise Anfallsauslöser und -formen, EEG-Befunde, Alter sowie Befunde in der Bildgebung, begleitet. Zu diesen Syndromen gehören unter anderem die juvenile myoklonische Epilepsie oder das Dravet Syndrom.
Nach einem epileptischen Anfall sind viele Betroffene erschöpft und schläfrig. Ebenfalls sind zeitlich begrenzte depressive Verstimmungen, Vergesslichkeit, Sprachstörungen und Lähmungen möglich. Manche Betroffenen können aber in einem auch direkt nach einem Anfall wieder in ihrem körperlichen Normalzustand. Das Gefährlichste an einem Epilepsie-Anfall sind Verletzungen, wie beispielsweise ein Sturz oder Zungenbiss während des Anfalls. Entgegen vieler Behauptungen löst ein Anfall keine bleibenden Gehirnschäden oder geistigen Behinderungen aus. Jahrelange schwere Anfälle können jedoch die Leistung des Gedächtnisses und die Konzentrationsfähigkeit mindern.
Bei den meisten Epilepsieformen, vor allem bei solchen, bei denen die Ursachen bekannt und behebbar sind, ist mit einer normalen Lebenserwartung zu rechnen. Zusätzliche Faktoren für die Prognose ist die Einstellbarkeit über eine passende Medikation. Die schlechteste Prognose haben frühkindliche Epilepsiesyndrome. Hierbei können die Lebenserwartung sowie die Lebensqualität herabgesetzt sein.
Den Fehler finden: Die Diagnostik der Epilepsie
Die Diagnose einer Epilepsie stützt sich zunächst auf die Krankengeschichte. Es müssen in der Vergangenheit mindestens zwei Anfälle vorgekommen sein, zwischen denen mindestens 24 Stunden gelegen haben oder ein Epilepsie-Anfall vorgekommen sein, mit einem deutlich erhöhten Risiko für einen zweiten Anfall. Neben einer darauffolgenden körperlichen und neurologischen Untersuchung wird meist ein Elektroenzephalogramm (EEG) geschrieben. Dieses misst die Hirnströme und kann bei Veränderung dieser etwas über die Art einer möglich vorliegenden Epilepsie aussagen.
Zusätzlich wird auch eine MRT des Gehirns durchgeführt. Hier wird im speziellen nach Veränderungen gesucht, die Anfälle auslösen können. Die Untersuchung erfolgt nach einem eigens für den Patienten optimierten Protokoll, das nach der vermuteten Lokalisation der Epilepsie verursachenden Zone geplant wird. Durch die hohe Auflösung können so selbst kleine Gehirnstrukturen beurteilt werden. Vorteil bei der MRT ist die fehlende Strahlenbelastung, da die MRT mit elektromagnetischen Wellen arbeitet. Die Untersuchung ist somit weniger schädlich und bei den meisten Patienten durchführbar.
Eine weitere Möglichkeit zur genauen Diagnostik ist die Durchführung einer funktionellen MRT (fMRT). Bei dieser können die Lokalisation von Hirnfunktionen bestimmt werden. Sie ist besonders sinnvoll, wenn eine spätere Operation geplant ist, um eine Art Landkarte des Gehirns zu erstellen.
Epilepsie Therapie: Von der Pille bis zur OP
Um das Risiko des Auftretens eines epileptischen Anfalls zu mindern, existieren verschiedene Möglichkeiten der Prophylaxe. Zu diesen gehören die Beseitigung einer bekannten Ursache, die Vermeidung von Triggerfaktoren, wie beispielsweise Flickerlicht, und auch die medikamentöse Anfallsprophylaxe. Hier existieren verschiedene Medikamente, die individuell nach Epilepsieform gegeben werden können.
Liegt eine Pharmakoresistenz vor, also treten trotz der Medikation weiterhin Anfälle auf, existieren weitere nicht-medikamentöse Therapiemöglichkeiten. Zu diesen gehört unter anderem eine operative Intervention, bei der beispielsweise der Bereich des Gehirns entfernt wird, der für die Epilepsie-Anfälle verantwortlich ist. Dies ist jedoch nicht immer möglich. Außerdem existiert die Möglichkeit der Vagusnerv-Stimulation. Hierunter versteht man einen Schrittmacher, der unter die Haut im Brustbereich implantiert wird und über Kontakte mit dem Vagusnerv verbunden ist. Dieser ist ein wichtiger Nerv des vegetativen Nervensystems und ist für die Regulierung der inneren Organe verantwortlich. Bei einer Überaktivität der Nervenzellen kann dieser dann über elektrische Impulse gehemmt werden und die Symptome der Epilepsie abmildern.
Quellen
Referenzen:
- Reiser M, Kuhn F, Debus J, Hrsg. Duale Reihe Radiologie. 4. vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2017.
- Herold, G. Innere Medizin. Ausgabe 2022. Köln: DeGruyter; 2022.
- Knake, S., MRT-Bildgebung bei Epilepsien, epiKurier unter https://www.epikurier.de/archiv/ausgabe-42012/mrt-bildgebung-bei-epilepsien/ (zuletzt aufgerufen September 2022)
- https://www.gesundheitsinformation.de/epilepsie.html#:%7E:text=Epilepsie%20ist%20eine%20Erkrankung%2C%20bei,und%20man%20verliert%20das%20Bewusstsein (zuletzt abgerufen September 2022)
- Mattle, H. et al; Kurzlehrbuch Neurologie, 5. Vollständig überarbeitete Auflage. Stuttgart: Thieme; 2021.