Krebserkrankungen haben in den letzten Jahrzehnten um einiges zugenommen und aktuell leben in Deutschland circa 4,65 Millionen Menschen mit einer Krebsdiagnose. Im gleichen Zeitraum ging jedoch die krebsbedingte Sterberate zurück. Dies ist vor allem der Verdienst der Forschung und auch der modernen Krebstherapie, zu denen unter anderem die Chemotherapie gehört. Dass diese jedoch auch bleibende Schäden hinterlassen kann, ist vielen nicht bewusst. Vor allem ein Organ ist besonders anfällig für Langzeitschäden: das Herz.
Schattenseiten des Erfolgs – Nebenwirkungen von Tumortherapien
Nebenwirkungen einer Krebstherapie können nicht nur akut auftreten, wie beispielsweise Übelkeit und Erbrechen oder auch Haarverlust. Auch Langzeitschädigungen sind möglich. Vor allem Chemomedikamente und Bestrahlungen im Bereich des Brustkorbs schädigen das Herz und die Blutgefäße, was auch als Kardiotoxizität bezeichnet wird. Besonders kardiotoxisch sind Anthrazykline und Trastuzumab, die sowohl akut und auch nach Jahren eine Herzschädigung verursachen können. Da diese Medikamente unter anderem bei Brustkrebspatientinnen zum Einsatz kommen und auch das Strahlenfeld einer möglichen Bestrahlung den Brustkorb betrifft, sind Betroffene besonders gefährdet, eine Schädigung des Herzens zu erleiden.
Herzschädigung im Überblick
Eine Herzinsuffizienz ist sowohl die häufigste, leider aber auch die schwerwiegendste Folge einer medikamentösen Tumortherapie. Das Herz wird hierbei so sehr angegriffen, dass es seine volle Pumpleistung nicht mehr erbringen kann. Folge ist unter anderem, dass sich das Blut in den venösen Gefäßen des Körpers zurückstaut, sodass sich Wassereinlagerung im gesamten Körper bilden können, die als Ödeme bezeichnet werden. Weiterhin leiden Betroffene unter einer Leistungsminderung und wenn die Ödeme auch die Lunge betreffen unter einer zunehmenden Luftnot. Die Herzinsuffizienz kann akut auftreten und sich wieder zurückentwickeln oder aber auch dauerhaft bestehen bleiben.
Weitere Schädigungen des Herz-Kreislauf-Systems, die nach einer Chemotherapie auftreten können, sind:
Koronare Herzkrankheit (KHK)
- Bei einer koronaren Herzkrankheit sind die Blutgefäße, die den Herzmuskel mit Blut versorgen, verengt. Dieser wird dann nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt. Im schlimmsten Fall kann es zu einem Herzinfarkt kommen, wenn eines der Gefäße verschlossen ist. Eine KHK kann vor allem nach einer Strahlentherapie im Bereich des Brustkorbs auftreten
Erkrankungen der Herzklappen
- Bei einer Erkrankung der Herzklappen kann es zu einer Entzündung der Klappen oder auch zu einer gestörten Funktion der Herzklappen kommen. Das Herz muss in solchen Fällen häufig mehr Kraft aufbringen, um eine ausreichende Blutversorgung sicherzustellen. Auch hier kann sich über kurz oder lang eine Herzinsuffizienz als Folge entwickeln.
Bluthochdruck
- Hoher Blutdruck betrifft jeden Menschen fast täglich. Stress, Anstrengung oder Aufregung lässt den Blutdruck automatisch ansteigen. Besteht aber dauerhaft ein hoher Blutdruck, kann dieses sowohl das Herz als auch die Blutgefäße schädigen. Langfristig kann es dadurch zu einer koronaren Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen oder auch einer Herzinsuffizienz kommen
Herzrhythmusstörungen
- Bei Herzrhythmusstörungen schlägt das Herz nicht mehr im richtigen Takt, der Rhythmus ist nicht mehr gleichmäßig und man hat das Gefühl, das Herz würde stolpern. Das Herz kann hierbei entweder zu schnell, zu langsam oder auch unregelmäßig schlagen. Folge eines dauerhaft gestörten Herzrhythmus können eine koronare Herzkrankheit, Kardiomyopathien oder auch eine Herzinsuffizienz sein
Dilatative Kardiomyopathie
- Eine dilatative Kardiomyopathie bezeichnet eine Herzmuskelerkrankung, bei der es zu einer Erweiterung der Herzkammern und dadurch zu einer Vergrößerung des Herzens kommt. Da sich das Herz dadurch nicht mehr richtig zusammenziehen kann, nimmt die Pumpleistung des Herzens ab und es kommt zu einer Herzinsuffizienz. Die dilatative Kardiomyopathie ist besonders Folge bei einer Hochdosis-Chemotherapie bei Kindern
Achtung auf das Herz: Wirkstoffe im Überblick
Wie eingangs erwähnt, haben besonders Anthrazykline mit das höchste Risiko, eine Herzerkrankung zu verursachen. Sie wirken, indem sie die unkontrollierte Teilung von Krebszellen hemmen, greifen aber auch gesunde Körperzellen an. Dadurch kann es zu schweren Funktionsstörungen gesunder Zellen kommen, wobei besonders das Herz betroffen ist. Diese Störungen können sowohl akut als auch im Verlauf auftreten:
- Akut auftretende Störungen treten innerhalb von Stunden nach Gabe von Anthrazyklinen auf. Die Symptome sind vielseitig und können von Herzrhythmusstörungen bis hin zur akuten Herzinsuffizienz reichen. Werden die Schäden rechtzeitig erkannt, sind sie potenziell heilbar.
- Langzeitstörungen treten meist erst nach 10 bis 20 Jahren nach Anthrazyklin-Therapie auf. Die häufigste Störung ist dabei die Herzinsuffizienz, wobei das Risiko für das Auftreten umso höher ist, desto höher die Dosis war
Aber auch andere Medikamente können sich auf das Herz auswirken, zu diesen zählen unter anderem:
VEGF-Inhibitoren
o Die sogenannten Angiogenese-Hemmer werden bei zahlreichen Krebsarten eingesetzt. Die Wirkstoffe verhindern die Neubildung von Blutgefäßen der Tumoren, sodass sowohl das Tumorwachstum als auch die Metastasierung unterdrückt wird. Aber auch diese Medikamente können schwerwiegende Nebenwirkungen haben, zu diesen gehören:
- Bluthochdruck
- Entstehung von Blutgerinnseln
- Herzrhythmusstörungen
- Herzinfarkt
- Herzinsuffizienz
Immun-Checkpoint-Hemmer
- Der Einsatz von Immuntherapien gewinnt in der modernen Tumortherapie immer mehr an Bedeutung. Tumoren gelingt es manchmal, die körpereigenen Abwehrzellen so zu beeinflussen, dass diese Krebszellen nicht mehr erkennen und bekämpfen können. Die Folge ist ein ungehindertes Wachstum von Tumoren. Die Immun-Checkpoint-Hemmer sollen dieses Problem verhindern und die körpereigene Abwehr gegen Tumorzellen wieder stärken. Aber auch hier können Herzrhythmusstörungen und auch Entzündungen des Herzens als Nebenwirkung auftreten.
Onkologische Kardiologie: Der Schutz des Herzens
Aufgrund der neuen Erkenntnisse über die mögliche herzschädigende Wirkung von Tumortherapien hat sich ein neuer Fachbereich entwickelt: die Onkologische Kardiologie. Sie soll eine Schnittstelle zwischen Krebs- und Herz-Kreislauf-Medizin darstellen und fokussiert sich genau auf die Nebenwirkungen von Tumortherapien, die das Herz betreffen. Ihr Ziel ist es, diese frühzeitig zu entdecken und zu therapieren. Auch beim Thema Vorsorge greift der Fachbereich ein. So soll vor einer Tumortherapie eine Untersuchung des Herzens erfolgen, um bestehende Vorschädigungen des Herzens oder auch Risikofaktoren zu identifizieren und bei der Auswahl der Medikamente zu berücksichtigen.
Prävention: Wie man das Herz schützen kann
Ist bei einer Tumortherapie bekannt, dass diese das Herz schädigen könnte, ist es ratsam, zusätzliche Risikofaktoren für Herzerkrankungen zu vermeiden. Zu diesen Risikofaktoren gehören unter anderem hoher Blutdruck und Übergewicht. Was viele nicht wissen: Diese erhöhen nicht nur die Gefahr für eine Herzinsuffizienz oder auch einen Herzinfarkt, sondern stehen auch mit einer erhöhten Krebssterblichkeit in Verbindung.
Weitere Risikofaktoren sind Rauchen, Diabetes mellitus, ungesunde Ernährung und erhöhte Blutfettwerte. Um das Herz vor den Belastungen einer Krebstherapie zu schützen, sollten diese Risikofaktoren, so gut es geht, minimiert werden. Studien haben mittlerweile gezeigt, dass der Einsatz von Statinen, die die Blutfettwerte senken oder auch blutzuckersenkende Medikamente einen positiven Einfluss auf die Herzgesundheit während einer Krebstherapie haben könnten.
Die richtige Nachsorge: Behandlung von Spätfolgen des Herzens
Wenn es trotz vorbeugender Maßnahmen zu einer Schädigung des Herzens unter der Tumortherapie gekommen ist, muss dies nicht als endgültig hingenommen werden. Auch im Nachhinein kann eine medikamentöse Therapie, Gewichtsreduktion und auch Bewegung einen positiven Einfluss auf die Herzgesundheit haben. Hier sollte zwischen Betroffenen und dem behandelnden Team ein individuelles Konzept erarbeitet werden.
Quellen
- https://www.krebsdaten.de/Krebs/DE/Home/homepage_node.html (zuletzt zugegriffen am 22.12.2022)
- https://www.tk.de/techniker/gesundheit-und-medizin/behandlungen-und-medizin/brustkrebs/tk-plus-bei-brustkrebs/dmp-news/chemotherapie-statine-schuetzen-das-herz-2117620 (zuletzt zugegriffen am 22.12.2022)
- Herold, G. Innere Medizin 2022. Berlin ; Boston: De Gruyter.
- Herdegen, T. Kurzlehrbuch Pharmakologie und Toxikologie. 2020. Stuttgart ; Georg Thieme Verlag KG (zuletzt zugegriffen am 29.09.2022)
- https://www.gpoh.de/kinderkrebsinfo/content/patienten/nachsorge/spaetfolgen___langzeitnachsorge/spaetfolgen_der_krebstherapie/betroffene_organe/herz/index_ger.html (zuletzt zugegriffen am 22.12.2022)
- https://www.herzstiftung.de/infos-zu-herzerkrankungen/krebstherapie (zuletzt zugegriffen am 22.12.2022)