Normalerweise ist unsere Blutgerinnung ein essentielles Sicherheitssystem unseres Körpers. Wenn wir uns beispielsweise in den Finger schneiden oder bei einem Sturz verletzen stellt sie sicher, dass wir nicht zu viel Blut verlieren. Die Blutzellen und Gerinnungsstoffe bilden innerhalb kürzester Zeit einen Schorf, der die Blutung stoppt. Dabei handelt es sich um ein ausgeklügeltes und sehr fein abgestimmtes System.
Gerinnung aus dem Gleichgewicht – die Thrombose
Doch unter gewissen Umständen kann dieses System aus dem Gleichgewicht geraten. Unser Blut gerät beispielsweise bei Bewegungsmangel, etwa bei langem Sitzen oder Liegen, ins Stocken. Wo dies geschieht, kann sich anschließend ein Blutpfropf (Thrombus) bilden, der die Blutversorgung an dieser Stelle behindert und im Extremfall das Gefäß völlig verschließt – man spricht dann von einer Thrombose.
Prädilektionsstellen und Risikofaktoren einer Thrombose
Prinzipiell können Thrombosen sowohl in den Venen als auch in den Arterien auftreten. Venöse Thrombosen betreffen vor allem die Beinvenen, können in seltenen Fällen aber auch in den als Armvenen vorkommen.
Je nach der Lokalisation unterscheidet man eine oberflächliche Form der Thrombose (Thrombophlebitis) von der tiefen Venenthrombose (Phlebothrombose). Arterielle Thrombosen befallen hingegen bevorzugt die Arterien von Herz, Hirn und Beinen. Allerdings sind arterielle Thrombosen deutlich seltener als venöse Thrombosen, da die höhere Strömungsgeschwindigkeit des Blutes in Arterien protektiv wirkt.
Die Ursachen für eine Thrombose sind äußerst vielfältig, doch folgende internistische Erkrankungen und Risikofaktoren prädisponieren besonders:
- Immobilisierung z. B. nach Operationen, langes Sitzen beispielsweise auf Flugreisen
- internistische Vorerkrankungen: Herzinsuffizienz, Zustand nach Schlaganfall oder Herzinfarkt, Diabetes mellitus, schwere Infektionen, Bauchtumoren
- kardiovaskuläre Risikofaktoren: Rauchen, Adipositas
- Medikamente (z.B. Diuretika, Kontrazeptiva, Neuroleptika etc.)
- Dehydratation (z.B. nach Durchfällen)
- Schwangerschaft und Wochenbett
- Erbliche (z.B. APC-Resistenz, Prothrombinmutation G20210A) oder erworbene Veränderungen von Gerinnungsfaktoren (z.B. Leberzirrhose, nephrotisches Syndrom)
- Störungen der Blutbildung (z.B. Polycythaemia vera, Essentielle Thrombozythämie)
- Gefäßveränderungen (Varikosis, Phlebitis)
Zusätzlich erhöht eine bereits durchgemachte Venenthrombose das Risiko für eine erneute Thrombose um das 30-fache.
Variable Warnzeichen: Die Symptome einer Thrombose
Die Beschwerden bei einer Thrombose können ausgesprochen variabel sein und kein Zeichen ist wirklich verlässlich. Ein erster Hinweis sind meist allerdings Beschwerden, die nur an einem Bein auftreten – im Unterschied etwa zu Muskelkater, der meist beide Beine betrifft. Typische Symptome sind:
- Starke Schmerzen in der Wade, die sich beim Bewegen und Belasten verstärken
- Schwere- und Spannungsgefühl
- Schwellung die eine Umfangsvermehrung bedingt
- Druckempfindlichkeit
- Überwärmung
- Bläuliche Verfärbung
Sollten Sie diese Symptome bei sich bemerken sollten sie nicht zögern, einen Arzt aufzusuchen. Dieser wird sie zunächst klinisch untersuchen. Dabei gibt es einige Zeichen, anhand derer er bereits abschätzen kann, ob es sich um eine Venenthrombose handeln könnte.
- Meyer-Zeichen: Wadenkompressionsschmerz bei Kompression mit der Hand
- Lowenberg-May-Zeichen: Wadenkompressionsschmerz bei Kompression mit einer Manschette
- Homan-Zeichen: Wadenschmerz bei Streckung des Fußgelenks in Richtung Fußrücken
- Payr-Zeichen: Fußsohlenschmerz bei Druck auf die Fußsohle
Zusätzlich wird er anhand eines Scores – in der Regel des sogenannten Wells-Scores – die klinische Wahrscheinlichkeit für eine Venenthrombose ermitteln. Ausgehend von den Untersuchungsbefunden und von der klinischen Wahrscheinlichkeit wird er dann über weitere diagnostische Tests entscheiden.
So wird eine Thrombose festgestellt
Die primäre Untersuchungsmethode zur Diagnostik einer Venenthrombose stellt der sogenannte Kompressionsultraschall dar. Zeigt sich hier eine fehlende Komprimierbarkeit der Vene sowie ein mangelnder Blutfluss ist dies meist schon ein hinreichender Beweis, um eine zielgerichtete Therapie anzuschließen.
Der sogenannte D-Dimertest, eine spezielle Laboruntersuchung, ist nur bei geringer klinischer Wahrscheinlichkeit indiziert, da er eine Venenthrombose lediglich ausschließen, nicht aber beweisen kann. Bei einem negativen Testergebnis ist eine Phlebothrombose bei geringer klinischer Wahrscheinlichkeit nahezu ausgeschlossen.
Ist das D-Dimer positiv, ist eine Phlebothrombose möglich, aber noch nicht bewiesen, denn es gibt eine Reihe anderer Erkrankungen, die ebenfalls einen positiven D-Dimertest verursachen können.
Eine Phlebografie muss nur durchgeführt werden, wenn die Duplexsonografie nicht aussagekräftig ist, andernfalls ist diese Untersuchung nicht mehr notwendig. Schnittbildverfahren wie die Computertomographie (CT) und die Magnetresonanztomographie (MRT) insbesondere zur genaueren Ermittlung der Ausdehnung der Thrombose eingesetzt werden und sind vor geplanten invasiven Therapieverfahren erforderlich.
Junge Patienten, die wiederholt an Thrombosen leiden, sowie Patienten mit Thrombosen an atypischer Stelle und positiver Familienanamnese, sollten zusätzlich auf sogenannte erbliche Thrombophilien, also eine erhöhte Neigung zur Thrombose infolge veränderter Eigenschaften von Blutzellen, Blutplasma, Blutströmung oder Gefäßwänden, getestet werden. Diese Tests werden aber frühestens 3 Monate nach Abklingen der akuten Thrombose durchgeführt.
Eine Frage der Blutverdünnung – die Therapie der Thrombose
Wurde die Diagnose einer Venenthrombose gestellt, sollte sofort eine therapeutische Antikoagulation, also eine Blutverdünnung, begonnen werden. Die Initialbehandlung erfolgt in der Regel mit niedermolekularem Heparin oder Fondaparinux. Alternativ können 24 Stunden nach Beginn der Heparintherapie auch sogenannte Faktor Xa-Hemmer zum Einsatz kommen.
Während das Heparin subkutan mittels einer Spritze gegeben werden muss, können die Faktor Xa-Hemmer oral als Tablette eingenommen werden. Daher werden sie auch als direkte orale Antikoagulantien (DOAK) bezeichnet.
Die Initialtherapie erstreckt sich in der Regel über 5 Tage. Anschließend folgt eine Erhaltungstherapie, die 3-6 Monate dauert. Sie dient insbesondere der Verhinderung eines Rezidivs sowie von Komplikationen. Sie wird üblicherweise mit einer geringeren Dosis desselben oder mit einem anderen Antikoagulans als in der Akutphase durchgeführt. Bei fortbestehendem Risiko wie beispielsweise bei einer aktiven Tumorerkrankung oder einer hereditären Thrombophilie, kann Antikoagulation auch noch weiter fortgeführt werden.
Zusätzlich sollte an der betroffenen Extremität eine Kompressionsbehandlung für mindestens drei Monate erfolgen. In der ersten Zeit, solange das Bein noch geschwollen ist, sollte es hierfür regelmäßig gewickelt werden. Nach Abschwellung des Beines unter eingeleiteter Therapie kann dann ein Kompressionsstrumpf der Klasse II individuell angepasst werden.
Betroffene sollten außerdem keinesfalls Bettruhe halten. Entgegen früherer Annahmen ist die Bettruhe bei einer reinen Venenthrombose nicht indiziert, sondern kann sogar die Progredienz des Thrombus fördern.
Je nach Lokalisation und Schweregrad der Thrombose können auch primär rekanalisierende Maßnahmen – entweder per Katheter oder als offene Operation – indiziert sein. Diese sollten allerdings spezialisierten Zentren mit ausreichender Erfahrung vorbehalten sein.
Gefährlich verschleppt: die Lungenembolie
Die wohl gefürchtetste Komplikation einer Beinvenenthrombose ist die Lungenarterienembolie. Rund 50% der Patienten mit Phlebothrombose machen kleinere, oft aber auch asymptomatische Lungenembolien durch. Vor allem bei unbehandelten Bein- und Beckenvenenthrombosen besteht die Gefahr, dass Teile des Thrombus abreißen und mit dem Blutstrom in ein Gefäß in der Lunge gespült werden.
Wird dort eine große Arterie verlegt, wird ein großer Teil der Lunge nicht mehr durchblutet. Dadurch ist im betroffenen Bereich auch kein Gasaustausch mehr möglich, was zu einem lebensgefährlichen Sauerstoffmangel führen kann.
Zudem versucht das Herz weiterhin Blut in das verstopfte Lungengefäß zu pumpen, doch durch den erhöhten Widerstand wird insbesondere die rechte Herzkammer übermäßig belastet, was zusätzlich ein Rechtsherzversagen bedingen kann. Eine Embolie ist daher immer ein medizinischer Notfall. Bei einer Lungenembolie ohne akute Lebensgefahr ist meist ebenfalls eine medikamentöse Blutverdünnung zu Therapie ausreichend.
Handelt es sich allerdings um eine massive Lungenembolie, beispielsweise weil ein sehr großes Gefäß verschlossen wurde, können auch eine sogenannte Lysetherapie zur Auflösung des Thrombus oder aber auch eine Operation oder ein minimal-invasiver Eingriff indiziert sein.
Quellen
- Hinterseer M, Knez A. Phlebothrombose. In: Baenkler H, Goldschmidt H, Hahn J, Hinterseer M, Knez A, Lafrenz M, Möhlig M, Pfeiffer A, Schmidt H et al., Hrsg. Kurzlehrbuch Innere Medizin. 3. vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage. Stuttgart: Thieme; 2015.
- Hach-Wunderle: S2k-Leitlinie Venenthrombose und Lungenembolie: Diagnostik und Therapie. Deutsche Gesellschaft für Angiologie – Gesellschaft für Gefäßmedizin (DGA). Stand: 2015.
- S2k-Leitlinie zur Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und der Lungenembolie – Pocket Version. Deutsche Gesellschaft für Angiologie, Gesellschaft für Gefäßmedizin, Stand 2017
- https://flexikon.doccheck.com/de/Thrombose (zuletzt zugegriffen am 25.07.2022)
- https://flexikon.doccheck.com/de/Thrombophilie (zuletzt zugegriffen am 25.07.2022)
- https://flexikon.doccheck.com/de/Lungenembolie (zuletzt zugegriffen am 25.07.2022)