Meist ist eine COVID-19 Erkrankung nach zwei Wochen überstanden. Doch viele Menschen klagen auch Monate später noch über Beschwerden – selbst wenn die Erkrankung initial milde verlaufen ist. Bisherige Studien erlauben noch keine verlässliche Angabe, wie häufig es zu Corona Spätfolgen kommt, doch nach aktuellen Schätzungen sind rund zehn bis 20 Prozent der Genesenen davon betroffen.
Welche Spätfolgen von Corona sind bekannt und welche Beschwerden können auftreten?
Ist von Langzeitfolgen bzw. so genannten Spätfolgen die Rede, fällt oft der Begriff „Long-COVID“. Darunter versteht man allgemein Krankheitssymptome, die über mehr als vier Wochen seit dem individuellen COVID-19-Krankheitsbeginn hinaus bestehen. Beschwerden, die über drei Monate nach der Infektion anhalten oder auch dann erst neu auftreten, werden darüber hinaus unter dem Begriff Post-COVID-Syndrom zusammengefasst.
Die Symptome sind dabei vielfältig und von Einzelfall zu Einzelfall unterschiedlich. Zu den häufigsten Corona Spätfolgen zählen:
- Starke Erschöpfung (58 Prozent)
- Kopfschmerzen (44 Prozent)
- Konzentrationsstörungen (27 Prozent)
- Haarverlust (25 Prozent)
- Atemnot (24 Prozent)
- Geruchs- (21 Prozent) und Geschmacksverlust (23 Prozent)
Insgesamt sind mehr als 200 einzelne Symptome beschrieben, was auch die individuelle Diagnostik und Therapie erschwert. Die Symptome treten allerdings selten einzeln auf, meist handelt es sich um eine im Einzelfall sehr unterschiedliche Kombination.
Ansteckend sind Patienten, die an Spätfolgen von Corona leiden jedoch – trotz Symptome – in der Regel nicht mehr. Nach aktuellem Kenntnisstand geht die Ansteckungsfähigkeit bei leichter bis moderater akuter COVID-19 Erkrankung innerhalb von 10 Tagen nach dem ersten Symptombeginn deutlich zurück.
Wer ist besonders gefährdet und wie lange halten die Symptome an?
Grundsätzlich leiden Patienten nach schweren COVID-19-Verläufen häufiger an Spätfolgen durch Corona. Doch auch nach milden und moderaten Infektionen kann Long-COVID durchaus auftreten. Selbst bei asymptomatischen Erkrankten, lassen sich Langzeitfolgen nicht gänzlich ausschließen. In bisherigen Studien konnten darüber hinaus einige Risikofaktoren für die Entwicklung von Spätfolgen nach Corona identifiziert werden.
Dazu zählen ein höheres Alter sowie körperliche und psychische Vorerkrankungen. Zudem sind Frauen – unabhängig vom Alter – überdurchschnittlich stark von Fatigue, einem Erschöpfungssyndrom, betroffen. Kinder scheinen hingegen – so zeigen es zumindest vorläufige Daten – seltener von langanhaltenden Beschwerden betroffen zu sein. Doch bei null ist das Risiko auch hier nicht.
Grundsätzlich wird für alle Altersgruppen ein Rückgang der Symptome mit der Zeit beobachtet. Wie lange die Beschwerden allerdings konkret anhalten, ist von Einzelfall zu Einzelfall unterschiedlich.
Viele Einzelfallentscheidungen führen zur Diagnose
Wenn Sie an COVID-19 erkrankt waren und über längere Zeit anhaltende Beschwerden oder sich verschlimmernde Beschwerden – körperlich, geistig oder seelisch – haben, sollten Sie zunächst einen Termin bei Ihrem Hausarzt vereinbaren. Dieser kann Sie als erste Anlaufstelle individuell zu den Spätfolgen nach einer Corona Infektion beraten und weitere nötige Schritte einleiten. Dafür wird er Sie zunächst ausführlich zu ihren Beschwerden befragen. Besonders interessieren wird ihn, was Sie beeinträchtigt, seit wann Sie daran leiden und ob es auslösende oder bessernde Faktoren gibt. Außerdem wird er Sie nach Vorerkrankungen und bekannten Allergien fragen.
Anschließend wird er sie körperlich untersuchen. Dabei wird er Puls, Blutdruck und den Sauerstoffgehalt im Blut messen sowie Herz und Lunge abhören. Meist wird er außerdem Blut abnehmen, um diverse Werte bestimmen zu lassen. Doch auch speziellere Untersuchungen sind je nach den von Ihnen angegebenen Beschwerden denkbar, beispielsweise um Organschädigungen auszuschließen. Im Zweifelsfall kann er sie auch in eine Long-COVID-Spezialambulanz vermitteln.
Wird beispielweise eine Einschränkung Ihrer Lungenfunktion vermutet, kann eine Spirometrie wegweisend sein. Viele Hausärzte bieten dies in Ihrer eigenen Praxis an, falls nicht, wird Ihr Arzt Sie dafür zu einem Spezialisten überwiesen. Dabei können die Kraft und das Volumen Ihrer Atemstöße gemessen werden. Darüber hinaus kann Ihr Arzt auch durch eine Computertomografie (CT) oder eine Kernspintomografie (MRT) ein detailliertes Bild vom Zustand Ihrer Lunge zu gewinnen.
Besteht ein begründeter Verdacht für eine Beeinträchtigung des Herz-Kreislaufsystems, dient als erste diagnostische Maßnahme oftmals ein EKG. Dabei wird die elektrische Aktivität Ihres Herzmuskels untersucht. Mit dieser Methode lassen sich bereits viele offene Fragen klären. Zusätzlich können bildgebende Verfahren wie die eine Ultraschall-Untersuchung Ihres Herzens – die Echokardiografie –, MRT und CT wichtige Informationen über die Struktur, Funktion und Zustand Ihres Herzmuskels bzw. Ihrer Gefäße liefern.
Bei neurologischen Beschwerden wird Sie Ihr Arzt noch ausführlicher mit speziellen Methoden und Tests beispielsweise zu Koordination und Reflexen untersuchen. Je nach Schweregrad Ihrer Beschwerden kann er dann weitere Untersuchungen anordnen. Dies kann eine MRT oder CT, aber auch eine Messung der Nervenleitgeschwindigkeit durch Elektroneurographie (ENG) umfassen.
Individuelle Beschwerden erfordern eine individuelle Therapie
Da die Spätfolgen nach einer Corona Infektion äußerst vielfältig und von Patient zu Patient unterschiedlich sein können, ist es schwierig, die Frage nach der Therapie pauschal zu beantworten. Im Mittelpunkt steht jedoch meist die Wiederherstellung der beeinträchtigten Funktionen und eine Linderung der Beschwerden. Zu Beginn ist dafür oftmals körperliche Schonung unumgänglich.
Doch je nach Beschwerdebild können auch spezifischere therapeutische Maßnahmen zu Einsatz kommen, wie z.B.:
- physiotherapeutische Atemtherapie
- medikamentöse Beschwerdelinderung und Prävention
- spezielle Herzsportübungen
- Training von Bewusstsein, Kognition, Sprachfähigkeiten, Wahrnehmung, Motorik und Sensorik
- Geruchs- und Geschmackstraining
Abhängig von Ihrem Gesundheitszustand kann Sie Ihr Arzt aber auch in spezielle Rehabilitationsprogramme vermitteln.
Eine COVID-19 Erkrankung kann sich jedoch nicht nur körperlich, sondern auch seelisch auswirken. Wichtig ist: Es gibt gute Möglichkeiten auch die psychischen Folgen zu behandeln. Oft können schon kurze psychologische Interventionen helfen und auch Depressionen, Angst- oder Konzentrationsstörungen lassen sich meist gut behandeln. Sie sollten nicht zögern, sich professionelle Hilfe zu suchen. Auch hier kann Ihr Hausarzt als erster Ansprechpartner helfen und sie an einen geeigneten Spezialisten vermitteln.
Quellen
- NICE COVID-19 rapid guideline: managing the long-term effects of COVID-19 (NICE Guideline NG188). 2020
- S1-Leitlinie Post-COVID/Long-COVID AWMF Online Register Nr 020/027. 2021.
- Lopez-Leon, S., Wegman-Ostrosky, T., Perelman, C. et al. More than 50 long-term effects of COVID-19: a systematic review and meta-analysis. Sci Rep 11, 16144 (2021).
- Sudre, C.H., Murray, B., Varsavsky, T. et al. Attributes and predictors of long COVID. Nat Med 27, 626–631 (2021).
- Seeßle, Jessica et al.: Persistent symptoms in adult patients one year after COVID-19: a prospective cohort study (Clinical Infectious Diseases, 2021)
- Antonelli et al. (2021) Risk factors and disease profile of post-vaccination SARS-CoV-2 infection in UK users of the COVID Symptom Study app: a prospective, community-based, nested, case-control study. Lancet Infect. Dis.
- RKI Steckbrief zu SARS-CoV-2 und COVID-19. (zuletzt zugegriffen am 28.03.2022)